Videostill aus Film von Martin Breuer

"Ich muss mich nicht mehr schämen"

„Wenn zu Weihnachten Besuch kommt, muss ich mich nicht mehr schämen“ Auf der Straße lebte ich insgesamt zehn Jahre – dann nochmal fünf Jahre in Obdachlosenunterkünften. Ich kam auch immer wieder mal bei Kumpels unter. Seitdem ich in einer eigenen Wohnung lebe, ist es tausendmal besser. Du glaubst gar nicht, was eine eigene Toilette oder Dusche wert ist. Auch eine Spüle, die nur ich selbst benutze und kein anderer. Oder ein eigener Herd und Backofen. Vor allen Dingen kannst du auch mal kochen, was du willst. Ich habe durch die eigene Wohnung viel mehr Ruhe und muss nicht mehr darüber nachdenken, wo ich meine Sachen lasse, damit sie keiner klaut. Außerdem kann ich alles gestalten, wie es mir gefällt. Meine Wände habe ich jetzt zum Beispiel mit Fortuna-Fahnen und –Postern behängt. Die Obdächer sind auch viel zu voll. Es gibt ja immer mehr arme Menschen. Und die Stadt will vermutlich Geld sparen. Ich verkaufe auch weiterhin fiftyfifty, um an Geld zu kommen. Die Miete für die neue Wohnung, die ich von fiftyfifty bekommen habe, zahlt zwar das Amt und dazu noch etwa 400 Euro Sozialhilfe. Aber das reicht ja vorne und hinten nicht. Ich finde es toll, dass ich in einer schönen Wohnung lebe, die fiftyfifty gekauft hat. Aber es ist doch ein Armutszeugnis, dass ich über zehn Jahre obdachlos war und dass der Staat oder die Stadt mir keine Wohnung geben konnte. Weihnachten werde ich bei Freunden feiern – ich bin eingeladen. Vielleicht bekomme ich auch noch Besuch – den kann ich ja nun gebührend empfangen und muss mich nicht für eine miese Unterkunft schämen – so wie früher." Socke

Statements von ehemals Wohnungslosen im Housing-First Projekt von fiftyfifty. Erschienen in der fiftyfifty Dezember 2017.